aus dem Englischen Originaltext der UNESCO ins Deutsche übertragen:
Klosterinsel Reichenau
Die Insel Reichenau im Bodensee bewahrt die Spuren des 724 gegründeten Benediktinerklosters, dass einen bemerkenswerten geistigen, intellektuellen und künstlerischen Einfluss ausübte. Die Kirchen St. Maria und Markus, St. Peter und Paul sowie St. Georg, die hauptsächlich zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert erbaut wurden, bieten ein Panorama der frühmittelalterlichen Klosterarchitektur in Mitteleuropa. Ihre Wandmalereien zeugen von einer beeindruckenden künstlerischen Tätigkeit.
Herausragender universeller Wert
Kurze Zusammenfassung
Die Klosterinsel Reichenau im südwestdeutschen Bodensee stellt ein Meisterwerk menschlichen Schaffens dar, denn das Ensemble der drei Kirchen auf der Klosterinsel ist ein außergewöhnliches Beispiel für eine zusammenhängende Gruppe mittelalterlicher Kirchen, die architekturgeschichtlich relevante Elemente der karolingischen, ottonischen und salischen Architektur bewahrt. Das Benediktinerkloster war ein bedeutendes künstlerisches Zentrum seiner Zeit, das durch seine monumentalen Wandmalereien und seine Illuminationen hervorragend veranschaulicht wird, und ist von großer Bedeutung für die Kunstgeschichte im Europa des 10. und 11.Jahrhunderts.
Die Vierung, die Querschiffe und der Chor der 816 geweihten karolingischen Kreuzbasilika von Mittelzell sind sowohl in ihrer Größe als auch in ihrem hervorragenden Erhaltungszustand außergewöhnlich und stellen ein bedeutendes Beispiel für diesen besonderen Typus der ausgeschiedenen Vierung in Europa dar. Ebenso bedeutend sind die erhaltenen Teile des karolingischen Klosters mit einem Heizungssystem nach altrömischem Vorbild. Die Querschiffe und die Apsis der Kirche St. Maria und Markus (1048), die durch das Kirchenschiff mit den karolingischen Teilen verbunden sind, sind für die europäische Architekturgeschichte ebenso wichtig. Die Wandmalereien in der Apsis der Kirche St. Peter und Paul in Niederzell sind von außergewöhnlicher Qualität und stellen eine der frühesten Darstellungen des Maiestas dar, die nördlich der Alpen erhalten sind.
Kriterium (III): Die Überreste der Reichenau Stiftung tragen herausragende Zeugnis der religiösen und kulturellen Rolle eines großen Benediktinerkloster im frühen Mittelalter.
Kriterium (IV): Die Kirchen auf der Insel Reichenau bewahren bemerkenswerte Elemente aus mehreren Bauphasen und bieten damit herausragende Beispiele klösterlicher Architektur in Mitteleuropa vom 9. bis zum 11. Jahrhundert.
Kriterium (VI): Das Kloster Reichenau war im 10. und 11. Jahrhundert ein wichtiges künstlerisches Zentrum von großer Bedeutung für die europäische Kunstgeschichte, wie seine monumentalen Wandmalereien und seine Illuminationen eindrucksvoll belegen.
Integrität
Alle Elemente, die notwendig sind, um den außergewöhnlichen universellen Wert zum Ausdruck zu bringen, sind in den über die ganze Insel verstreuten Gebäuden vorhanden, ein Erbe der sozioökonomischen Struktur des Mittelalters, das das Bild der gesamten Gründung geprägt hat.
Authentizität
Die Wohngruppen stellen keine wirklichen Gebäudekomplexe dar, ein Merkmal, das auch nach der Säkularisierung und der Bauwelle nach dem Zweiten Weltkrieg bestehen blieb. Die Profanarchitektur wird von einigen jüngeren Veränderungen und/oder zeitgenössischen Bauten dominiert. Die erhaltene ursprüngliche Struktur wurde freigelegt oder ist für die Architekturforschung zugänglich. Die Naturschutzgebiete, die ausgewiesen wurden, um die neueren Baugebiete von den landwirtschaftlichen Flächen zu trennen (die heute größtenteils mit Gewächshäusern bebaut sind), vermitteln einen Eindruck vom ursprünglichen Aussehen der Insel. Die für das 19. Jahrhundert charakteristischen Rekonstruktionen im mittelalterlichen Stil, die zu Lasten der Renaissance- und Barockbauten gehen, sind weitgehend verschwunden. Diese Praxis hat daher die komplexe historische Schichtung dieser Gebäude, insbesondere ihrer Innenräume, reduziert. Während die architektonischen Oberflächen der Reichenauer Kirchen vollständig renoviert und vereinfacht wurden, was dem konventionellen Bild der mittelalterlichen Kirchenarchitektur entspricht, ist die Authentizität der bemerkenswerten Wandmalereien in den Kirchen jedoch ein positives Element.
Anforderungen an Schutz und Verwaltung
Die drei Kirchen, die Klostergebäude und zehn weitere Gebäude auf der Insel sind als Kulturdenkmäler von besonderem Wert nach dem Denkmalschutzgesetz Baden-Württemberg vom 25. Mai 1971, geändert am 25. April 2007, ausgewiesen. Dasselbe Gesetz schützt siebzig weitere Objekte als ausgewiesene Kulturdenkmäler. Nach dem Gesetz muss jedes Bauvorhaben oder jede Veränderung an einem Kulturdenkmal bei der Denkmalschutzbehörde Baden-Württemberg (Abteilung Freiburg im Breisgau) angemeldet werden, die auf lokaler Ebene durch das Landratsamt Konstanz vertreten wird. Kulturdenkmäler von besonderem Wert genießen darüber hinaus Schutz durch die Eintragung in das Denkmalbuch, das für den Wiederaufbau oder die Erweiterung solcher Denkmäler gilt. In diesen Fällen muss für jedes Projekt, das die Umgebung eines denkmalgeschützten Gebäudes betrifft, eine Genehmigung eingeholt werden, wenn diese Umgebung für das Denkmal von besonderer Bedeutung ist.
Das Eigentum an den religiösen Gebäuden auf der Insel Reichenau ist auf mehrere Institutionen verteilt. Die Abtei St. Maria und Markus und das Pfarrhaus in Mittelzell gehören der Pfarrei Unserer Lieben Frau, das Rathaus der Stadt Reichenau, die St.-Georgs-Kirche dem Katholischen St.-Georgs-Fonds und die Kirche St. Peter und Paul dem Katholischen Kirchenfonds. Die meisten anderen Gebäude auf der Insel befinden sich in Privatbesitz. Für den Schutz des Eigentums des Landes Baden-Württemberg sind das Regierungspräsidium Freiburg und das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart in Zusammenarbeit mit der Bundesvermögensverwaltung zuständig.
Ein besonderes Problem sind die steigenden Besucherzahlen in der berühmten St.-Georgs-Kirche, die zu einer Veränderung der klimatischen Bedingungen im Inneren führen. Der Anstieg der Luftfeuchtigkeit und die damit einhergehende Verschmutzung und Schimmelbildung führen zu erheblichen Schäden an den Kulturgütern, insbesondere an den ottonischen Wandmalereien. Seit Anfang der 1980er Jahre werden die klimatischen Verhältnisse im Inneren von St. Georg kontinuierlich erfasst. Das Landesamt für Denkmalpflege führt in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Darmstadt - heute Universität Stuttgart, Institut für Werkstoffe der Architektur - ein sehr genaues Monitoring der ottonischen Wandmalereien durch, um das Raumklima, mikroklimatische Einflüsse, Luftbewegungen, Strahlungseinflüsse und den Einfluss der Besucher auf das Mikroklima zu analysieren. Die gesammelten Daten sollen ein Konzept und neue Strategien zur Optimierung des Raumklimas unterstützen, insbesondere eine Strategie zur Kontrolle des Besucherzugangs (Besuchermanagement). Das Besuchermanagement für St. Georg sieht vor, in kritischen Jahreszeiten den Zugang für Einzelbesucher durch geführte Touren zu ersetzen.
In Absprache mit der politischen Gemeinde hat die Denkmalpflege ein Entwicklungsprogramm für eine behutsame Bebauung erarbeitet, um den Risiken des Entwicklungsdrucks, einschließlich der Entwicklung von Gewächshäusern, zu begegnen.
Mehrere Bereiche der Insel Reichenau (ca. 230 ha von 460 ha Gesamtfläche) sind nach dem Naturschutzgesetz Baden-Württemberg vom 13. Dezember 2005, geändert am 17. Dezember 2009, als Naturschutzgebiete ausgewiesen. Darüber hinaus schützt das Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 in der Fassung vom 28. Juli 2011 Landschaften von kulturhistorischem Interesse, wozu auch die Umgebung von Baudenkmälern gehört. Die Bestimmungen des Baugesetzbuchs vom 23. September 2004, überarbeitet am 22. Juli 2011, zum Natur-, Landschafts- und Denkmalschutz gelten für einige sensible Bereiche der Insel, während die Landesbauordnung für Baden-Württemberg vom 8. August 1995, überarbeitet am 17. Dezember 2009, für die gesamte Insel gilt. In den verschiedenen Bebauungsplänen der Gemeinde Reichenau, des Landkreises Konstanz und des Regionalplans sind strenge Baubeschränkungen festgelegt, die die Erhaltung der traditionellen Landschaftsgestaltung fördern sollen.
Es gibt keine offizielle Pufferzone für das Grundstück, aber die Insellage der Reichenau inmitten des nördlichen Bodensees bietet einen angemessenen gleichwertigen Schutz. Darüber hinaus sind die Seeufer in der Umgebung (Gnadensee, Zellersee und Untersee) sowohl durch die deutsche als auch die schweizerische Naturschutz- und Planungsgesetzgebung geschützt.
Die aktive und kontinuierliche Politik der für den Denkmalschutz, den Naturschutz und die Baugenehmigung zuständigen Behörden im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften entspricht den Anforderungen, die zu Recht an einen vorgeschriebenen Bewirtschaftungsplan zu stellen sind. Die Politik gewährleistet die staatliche Kontrolle über die Erhaltung der Kultur- und Naturgüter auf der Insel Reichenau und die kontinuierliche Umsetzung der notwendigen Erhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen. Die staatliche Denkmalschutzverwaltung verfügt über hochqualifiziertes Personal, das die professionelle Planung und Durchführung aller notwendigen Erhaltungsmaßnahmen für ein angemessenes Verwaltungssystem gewährleistet.
Links
- German commission to UNESCO (in German only)
- Ministry of Regional Development and Housing Baden-Württemberg (in German only)
- Denkmalpflege Baden-Württemberg (in German only)
- Homepage der Gemeinde Reichenau (in German only)
- Klosterinsel Reichenau (Deutsche UNESCO-Kommission)(in German only)
World Heritage Cities Programme
30 November 2000
Date of Inscription: 2000
Criteria: (iii)(iv)(vi), Dossier: 974
District of Freiburg, State of Baden-Württemberg, N47 41 55.4 E9 3 40.7